BfTG fragt nach – Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl (Teil 1)
Wie stehen die Bundestagsparteien zum Thema Harm Reduction mit der E-Zigarette? Welche politische Strategie wird verfolgt, um die Reduktion des Tabakkonsums voranzubringen? Und wie positionieren sich die Parteien bei den Themen Liquidsteuer, Tabakproduktrichtlinie und WHO-Tabakkontrolle?
Wir haben Mitte Juli Bundestagsparteien angeschrieben und darum gebeten, wichtige Fragen zur Regulierung der E-Zigarette und zum jeweiligen Plan der Tabakkontrolle zu beantworten.
Diese Wahlprüfsteine dienen zur Orientierung für Dampfer, E-Zigarettenhändler- und Hersteller und alle an diesen Themen Interessierten vor der am 26. September stattfindenden Bundestagswahl.
Erste Antwort der Partei DIE LINKE
Die erste Antwort haben wir am 19.08.2021 von der Partei DIE LINKE erhalten. Die Antwort wurde auch auf der Website der Linken veröffentlicht.
Hier der gesamte Wortlaut:
F1: Wie stellt sich Ihre Partei die künftige Regulierung von Tabakprodukten und den tabakfreien E-Zigaretten vor?
- Für DIE LINKE ist die Reduzierung des Tabakkonsums ein besonders wichtiges Ziel. Wir fordern seit Langem die volle Umsetzung der Tabakrahmenkonvention der WHO in Deutschland. Das betrifft nicht nur das vollständige Verbot von Werbung, Sponsoring und Viral-Marketing, sondern auch die Offenlegung und Vermeidung von Kontakten der Politik zur Tabakindustrie. Wir fordern eine höhere Besteuerung und eine deutliche Einschränkung der Verfügbarkeit von Tabakprodukten. Wir fordern die Einheitsverpackung (plain packaging), wie es in anderen Ländern bereits erfolgreich eingeführt wurde. Wir wollen die Nikotinersatztherapie und andere Entwöhnungstherapien für gesetzlich Versicherte breit erstattungsfähig machen und den Ausstieg so unterstützen.
F2: Wie möchte Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode die Reduzierung des Tabakkonsums voranbringen und welche Rolle könnte dabei Ihrer Meinung nach die E-Zigarette spielen?
- Unsere Vorstellungen zur Reduktion des Tabakkonsums sind in der Antwort auf Frage 1 ausgeführt. E-Zigaretten sehen wir in erster Linie als Mittel zur Reduktion von tabakbedingten gesundheitlichen und gesellschaftlichen Schäden. Sie sind nach aktuellem Wissensstand erheblich weniger schädlich und geeignet, die Zahl von Todesfällen und gesundheitlichen Schädigungen zu verringern. Entsprechend fordern wir nur eine ganz erheblich niedrigere Besteuerung von nikotinhaltigen Liquids (0,004 Euro pro mg Nikotin) bei deutlich angehobener Besteuerung von Tabakprodukten (siehe Antwort auf Frage 1). Der Umstieg von Raucher*innen auf tabakfreie Produkte sollte durch staatliche Informationskampagnen unterstützt werden.
F3: E-Zigaretten sind laut Studien aus erfolgreicher als herkömmliche Hilfsmittel zum Tabakstopp. Dennoch wissen Raucher nur wenig über diese Vorzüge. Wie will Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode dafür sorgen, dass Raucher besser über die E-Zigarette informiert sind?
- Siehe Antwort auf die Frage 2
F4: E-Zigaretten sind laut Public Health England um 95% weniger schädlich als Tabak. Wie will Ihre Partei den Harm Reduction-Ansatz (Schadensreduzierung) bei der Regulierung von E-Zigaretten berücksichtigen? Welche Rolle soll der Harm Reduction-Ansatz in der künftigen Drogen- und Suchtpolitik einnehmen?
- Siehe Antwort auf die Frage 2
F5: 2021 wurde eine hohe Liquidsteuer eingeführt. Hohe Liquidsteuern treiben Dampfer zurück zum Tabak, der illegale Handel steigt, Fachhändler müssen schließen. Wie wollen Sie diese Negativfolgen verhindern? Wie stehen Sie zur Absenkung der Liquidsteuer, wie es bereits andere EU-Staaten gemacht haben?
- Wie oben ausgeführt fordern wir einen erheblich niedrigeren Steuersatz für nikotinfreie Liquids als die durch die große Koalition beschlossenen Besteuerung. Nach unserer Auffassung ist die nun beschlossene hohe Besteuerung auch nikotinfreier Produkte eine große Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Das gilt umso mehr, als die Erhöhung der Tabaksteuern äußerst gering ausfiel und so keinen wirksamen Rückgang des Tabakkonsums nach sich ziehen wird. Für viele Konsument*innen unterstützt der monetäre Aspekt den Einstieg in das Dampfen stark. In anderen Staaten, die hohe Steuersätze eingeführt haben, sind die Raucherquoten und der illegale Liquid-Handel stark gestiegen. Das ist das Gegenteil von guter Gesundheitspolitik und kann nach unserer Auffassung nur mit der großen Nähe zur Tabakindustrie erklärt werden.
F6: Die Corona-Krise hat dem stationären Handel erheblich geschadet. Mit welchen Maßnahmen will Ihre Partei den stationären E-Zigarettenfachhandel nach der Pandemie unterstützen? Auch mit Blick, dass die neue Liquidsteuer den (Online-)Kauf von Produkten aus dem Ausland deutlich attraktiver werden lässt.
- DIE LINKE sieht es nicht als ihre Aufgabe, einzelne Konsumprodukte bzw. Fachgeschäfte zu fördern. Der stationäre Handel steht nicht erst seit der Pandemie vor großen Problemen, weshalb wir die finanziellen Hilfen stets unterstützt haben. Es braucht einen Strukturwandel in Städten/Gemeinden über z.B. gedeckelte Gewerbemieten, ein effektives Quartiersmanagement, die Fördermittelvergabe. Parallel ist der ungleiche Wettbewerb zwischen stationärem Handel und Onlinehandel zu unterbinden. Nicht durch weniger Regulierung und sinkende Steuern/Abgaben, sondern durch effiziente öffentliche Institutionen, um Regeln durchzusetzen und Steuerdumping in der EU zu verhindern. Aus Drittländern ist eine Nachversteuerung/Zollabgabe ohnehin vorgeschrieben und hier wollen wir die Betreiber der Plattformen verpflichten und sanktionieren. Die entsprechenden Behörden sind finanziell/personell so auszustatten, dass Recht und Gesetz auch im “Internet” gilt.
F7: Einige EU-Staaten plädieren mit Verweis auf die Auslastung der nationalen Gesundheitsbehörden sowie der z.T. noch nicht vollständigen Implementierung der Tabakproduktrichtlinie (TPD2) für eine Verschiebung der Überarbeitung der EU-Tabakproduktrichtlinie. Wie stehen Sie dazu?
- Die TPD 2 war für deutsche Verhältnisse progressiv und hat deutliche Verbesserungen gebracht, etwa bei Deklarationsvorschriften. Trotzdem hat sie nicht zu den Erfolgen in der Reduktion des Tabakkonsums geführt, die man sich davon erhofft hatten. Zu stark waren die Kompromisse, die im Interesse der Tabakindustrie eingegangen wurden. Daher setzt sich DIE LINKE für eine rasche Weiterentwicklung der aktuellen TPD und strengere Regulierung von Tabakprodukten ein. Erfahrungsgemäß dauert die Aushandlung solch umkämpfter Regelwerke zwischen Kommission, Parlament und Rat lang. Die Umsetzung in den Mitgliedstaaten braucht ebenfalls Zeit. Die momentane Auslastung von den Behörden in den Mitgliedsstaaten ist unseres Erachtens kein schlüssiges Argument für die Verzögerung der Vorlage eines Entwurfs durch die Kommission oder der EU-Verhandlungen.
F8: Die WHO bewertet Dampfen skeptisch. Länder wie UK oder NZ teilen diese Kritik nicht und nutzen die E-Zigarette zur Reduzierung der Raucherquote. Wie sollte sich Deutschland auf der Mitgliederkonferenz der Tabakkontrollkonvention (FCTC) im Nov. 2021 und in der WHO zur E-Zigarette positionieren?
- Nach unserer Auffassung sollte sich Deutschland positiv gegenüber der E-Zigarette positionieren, da sie eine weniger schädliche Alternative für Nikotinsüchtige darstellt. Diese individuellen und gesellschaftlichen Chancen zum Ausstieg sollten genutzt werden. Insbesondere sollte keine so hohe Besteuerung empfohlen werden, wie sie nun in Deutschland geplant ist. Regulierung zum Gesundheitsschutz ist in Ordnung, aber es sollte keine Regulierung sein, die erkennbar darauf ausgerichtet ist, das Produkt unattraktiv für Raucher*innen zu machen.