BfTG fragt nach – Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl (Teil 4)

 

Wie stehen die Bundestagsparteien zum Thema Harm Reduction mit der E-Zigarette? Welche politische Strategie wird verfolgt, um die Reduktion des Tabakkonsums voranzubringen? Und wie positionieren sich die Parteien bei den Themen Liquidsteuer, Tabakproduktrichtlinie und WHO-Tabakkontrolle?

Antwort der SPD

Eine weitere Antwort haben wir am 15.09.2021 von der SPD erhalten. 

Hier der gesamte Wortlaut: 

F1: Wie stellt sich Ihre Partei die künftige Regulierung von Tabakprodukten und den tabakfreien E-Zigaretten vor?

  • Erst 2020 konnte sich die SPD gegen den Widerstand der Union bei der Umsetzung eines überfälligen Tabakwerbeverbotes (Zweites Gesetz zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes) durchsetzen, wie es bis dato schon von fast allen Mitgliedstaaten der EU umgesetzt wurde. Das Gesetz stellt dabei nikotinfreie elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter in bestimmten Bereichen den nikotinhaltigen Produkten gleich. Gerade Jugendliche können durch E-Zigaretten an den Konsum von Tabak herangeführt werden. Deshalb war diese Regelung notwendig, um einen effektiven Kinder- und Jugendschutz zu gewährleisten. Wir werden hieran festhalten.

F2: Wie möchte Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode die Reduzierung des Tabakkonsums voranbringen und welche Rolle könnte dabei Ihrer Meinung nach die E-Zigarette spielen?

  • Die SPD legt großen Wert auf die Stärkung der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung und hat sich deswegen mehrfach in den Haushaltsverhandlungen für deren finanziellen Ausbau ausgesprochen. Die BZgA genießt mit Blick auf ihre Kampagnen in Sachen Raucher:innenprävention unser vollstes Vertrauen.

F3: E-Zigaretten sind laut Studien aus erfolgreicher als herkömmliche Hilfsmittel zum Tabakstopp. Dennoch wissen Raucher nur wenig über diese Vorzüge. Wie will Ihre Partei in der nächsten Legislaturperiode dafür sorgen, dass Raucher besser über die E-Zigarette informiert sind?

  • Es ist in unseren Augen zunächst einmal die Aufgabe der Hersteller / der Industrie, umfassend über ihre Produkte zu informieren. Dies schließt besonders die Risiken mit ein. In der Tat gibt es Hinweise, dass es Raucher:innen unter Umständen einfacher gelingt, mit E-Zigaretten von Zigaretten los zu kommen. Dennoch müssen wir aber zu Kenntnis nehmen, dass der Konsum von E-Zigaretten zu weniger Gesundheitsschäden führt, diese aber nicht ausgeschlossen werden können. Deshalb ist es unser Ziel, den Versicherten Wege aus dem Konsum zu ebenen. Deshalb haben wir auch im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) die Tabakentwöhnung zur Kassenleistung erhoben.

F4: E-Zigaretten sind laut Public Health England um 95% weniger schädlich als Tabak. Wie will Ihre Partei den Harm Reduction-Ansatz (Schadensreduzierung) bei der Regulierung von E-Zigaretten berücksichtigen? Welche Rolle soll der Harm Reduction-Ansatz in der künftigen Drogen- und Suchtpolitik einnehmen?

  • Die SPD verfolgt im Rahmen ihrer Drogenpolitik einen konsequenten Harm-Reduction-Ansatz. Für uns ist klar, dass wir nur durch unmittelbar akzeptierende Drogenarbeit die Betroffenen auch erreichen können. Ziel muss es sein, Drogenkonsum aller Art oder gar Missbrauch durch gezielte Präventionsarbeit mit persönlicher Ansprache zu reduzieren, denn sie sind mit erheblichen Leid und gesellschaftlichen Kosten verbunden. Die Frage der Schädlichkeit des Dampfens ist bis dato nicht abschließend geklärt. Deshalb stellen sich derzeit Überlegungen für eine gezielte Substitution in der Form nicht.

F5: 2021 wurde eine hohe Liquidsteuer eingeführt. Hohe Liquidsteuern treiben Dampfer zurück zum Tabak, der illegale Handel steigt, Fachhändler müssen schließen. Wie wollen Sie diese Negativfolgen verhindern? Wie stehen Sie zur Absenkung der Liquidsteuer, wie es bereits andere EU-Staaten gemacht haben?

  • Mit dem 2021 verabschiedeten Tabaksteuermodernisierungsgesetz haben wir den Einstieg in die Besteuerung von Liquids für E-Zigaretten geschafft. Damit folgt Deutschland dem Beispiel einer ganzen Reihe von EU-Mitgliedstaaten, die Liquids für E-Zigaretten bereits besteuern. Die Steuer tritt zum 1. Juli 2022 mit einem Tarif von 0,16 Euro je Milliliter in Kraft und steigt in den Jahren 2024, 2025 und 2026 in moderaten Stufen auf bis zu 0,32 Euro je Milliliter an. Angesichts der nachgewiesenen Gesundheitsgefahren, die von E-Zigaretten ausgehen, halten wir den Einstieg in die Besteuerung für überfällig und die beschlossenen Steuersätze für angemessen.

F6: Die Corona-Krise hat dem stationären Handel erheblich geschadet. Mit welchen Maßnahmen will Ihre Partei den stationären E-Zigarettenfachhandel nach der Pandemie unterstützen? Auch mit Blick, dass die neue Liquidsteuer den (Online-)Kauf von Produkten aus dem Ausland deutlich attraktiver werden lässt.

  • Generell ist die Belebung der Innenstädte – gerade auch nach der Corona-Pandemie – für unsere Partei ein wichtiges Anliegen. Dementsprechend haben wir u.a. ein Positionspapier zur Zukunft der Innenstädte („Impulse für das Herz der Stadt“) mit Beschluss des Parteivorstands vom 8.5.2021 vorgelegt. Damit sind vielfältige Projekte mit ganz unterschiedlichen Ideen zur Belebung unserer Innenstädte förderfähig. Besondere Maßnahmen zur Stützung gerade des stationären E-Zigarettenfachhandels sind darin nicht enthalten und sind – im Vergleich zu anderen Themen – aus staatlicher Sicht auch nicht von vordringlicher Bedeutung.

F7: Einige EU-Staaten plädieren mit Verweis auf die Auslastung der nationalen Gesundheitsbehörden sowie der z.T. noch nicht vollständigen Implementierung der Tabakproduktrichtlinie (TPD2) für eine Verschiebung der Überarbeitung der EU-Tabakproduktrichtlinie. Wie stehen Sie dazu?

  • Wir möchten am Zeitplan für die Überarbeitung der EU-Tabakproduktrichtlinie möglichst festhalten, unter Berücksichtigung der Belastung der Gesundheitsbehörden.

F8: Die WHO bewertet Dampfen skeptisch. Länder wie UK oder NZ teilen diese Kritik nicht und nutzen die E-Zigarette zur Reduzierung der Raucherquote. Wie sollte sich Deutschland auf der Mitgliederkonferenz der Tabakkontrollkonvention (FCTC) im Nov. 2021 und in der WHO zur E-Zigarette positionieren?

  • Mit Blick auf die noch unzureichende wissenschaftliche Datenlage zur Wirksamkeit von E-Zigaretten bei der Tabakentwöhnung und über die gesundheitlichen Risiken des Dampfens insbesondere für Kinder und Jugendliche teilt die SPD die Skepsis der WHO. Es ist jedoch Aufgabe einer künftigen Bundesregierung die Positionierung auf der Mitgliederkonferenz vorzunehmen und diese im Rahmen einer Koalition auszuhandeln. Im Übrigen verweisen wir auf die Beantwortung zu Frage Nr. 4.